In den Lenkungsausschüssen des Interreg-Programms Deutschland-Nederland wurden Ende August von verschiedenen deutschen und niederländischen Instanzen neue Projekte genehmigt. Die Projekte haben ein 18-wöchiges Antragsverfahren durchlaufen und können nun mit der Umsetzung der Projektziele beginnen. U.a. wurden die folgenden Projektanträge eingereicht und auch genehmigt.
Emergency Drone
Im Projekt „Emergency Drone“ arbeiten niederländischen und deutsche KMU, die Hochschule Rhein-Waal, die Feuerwehr- und Rettungsakademie Bocholt, die Brandweer Twente, Space 53 und DLRG zusammen, um eine neue Software für Drohnen zu entwickeln, die zu einem effektiveren Einsatz von Drohnen bei (Natur-)Katastrophen in der Grenzregion beitragen soll. Die Notwendigkeit eines grenzüberschreitenden Vorgehens ist groß, denn die klimatischen Herausforderungen machen nicht an den Landesgrenzen halt. So verwüsteten im Jahr 2021 Überschwemmungen im Ahrtal, in Nordrhein-Westfalen und Limburg große Gebiete. Es regnete so stark, dass kleine Flüsse über die Ufer traten. Das Unwetter dauerte längere Zeit an und kostete Menschenleben und hohe Sachschäden. Die Kommunikationsinfrastruktur brach in einigen Gebieten völlig zusammen, so dass die betroffenen Bewohner nicht erreicht werden konnten und die Rettungsdienste nicht ausreichend miteinander kommunizieren und geleitet werden konnten. Doch mit Hilfe von Funkdrohnen und Funkübertragungstechnik kann in Krisensituationen in kürzester Zeit ein Ad-hoc-Telefonnetz aufgebaut werden. Diese neue Technologie wird im Rahmen des Projekts weiter entwickelt.
Während der Projektlaufzeit sollen verschiedene Technologien für den Einsatz von Drohnen entwickelt werden. So wird beispielsweise für die Früherkennung von Waldbränden an Methoden der künstlichen Intelligenz gearbeitet, die echte Flammen von harmlosen Rauchwolken wie dem Qualm von Grillfeuer unterscheiden können. Und auch das Zusammenspiel von Drohnen und Unterwasserkameras wird erforscht, um Ertrinkende leichter zu entdecken. Durch die Zusammenarbeit von Feuerwehren und Entwicklern werden bei dem Projekt Theorie und Praxis eng miteinander verknüpft. Neue Ergebnisse werden regelmäßig auf dem Übungsgelände Space 53 in Enschede getestet. Das Projekt läuft bis Herbst 2027.
BioNanoGel
Das Gesundheitssystem im Grenzgebiet steht vor vielfältigen Herausforderungen. Mit den Ergebnissen dieses Projekts möchte ein Konsortium aus 5 KMU und 2 Universitätskliniken Produkte für drei häufige und verwandte Erkrankungen entwickeln: chronische Sinusitis, Blasenschmerzsyndrom und Stressharninkontinenz.
Es gibt Lösungen für diese Erkrankungen, nämlich orale Medikamente, die nur für kurze Zeit wirken. Wenn dies nicht funktioniert, muss eine invasive Operation durchgeführt werden, die einen Krankenhausaufenthalt und eine längere Spülung erfordert. Die jährlichen damit verbundenen Gesundheitskosten belaufen sich in den Niederlanden und in Deutschland auf mehrere zehn bis hundert Millionen Euro.
Ziel dieses Projekts ist die Entwicklung eines Hydrogels, das Medikamente (Kortikosteroide und Schmerzmittel) transportieren und über einige Wochen abgeben kann. Das Hydrogel wird mit einer Injektion an der richtigen Stelle platziert. Das Gel enthält Nanopartikel, die als Trägermaterial für die Medikamente dienen. Die Medikamente werden für ca. 4 Wochen freigesetzt und besitzen regenerative Eigenschaften.
Es wird Strömungschemie verwendet, eine effiziente Methode zur Herstellung von Partikeln; Dies im Gegensatz zu aktuellen Prozessen, die viel Platz, Energie und Chemikalien benötigen. Damit trägt diese Technologie auch zur Ressourceneffizienz bei.
Die erfolgreiche Umsetzung des vorgeschlagenen Projekts wird zu einem besseren und weniger invasiven Ansatz für drei allgemeine Erkrankungen beitragen. Die Gesundheitskosten für diese Erkrankungen könnten sinken, selbst bei zunehmender Prävalenz im Zusammenhang mit der alternden Bevölkerung in der Grenzregion. Gleichzeitig werden sich die produzierenden KMU des Konsortiums in einem wachsenden globalen Markt etablieren, der derzeit bereits mehrere zehn Milliarden Dollar wert ist. Schließlich trägt die angestrebte Innovation durch einen geringeren Einsatz von Medikamenten, Zusatzstoffen und Energie auch zum Umweltschutz bei.
MedCam-AI
In den Niederlanden und Deutschland sind insgesamt 2,4 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt. Bei vielen wird die Diagnose zu spät gestellt, was zu körperlichen und finanziellen Komplikationen führt. Häufig entwickeln sich bereits im frühen Stadium Fußprobleme. Ziel ist die Entwicklung eines innovativen, nicht-invasiven IR-Scanners zur Diagnose von Anomalien, der der Primär- und Sekundärversorgung zugutekommt. Die Infrarot-Thermografie (IRT) ist eine neue Diagnosemethode die eine rasche Bewertung der Strahlungsenergie im Zusammenhang mit der Hauttemperatur ermöglicht. Da es keine Behandlungen gibt, die auf die zugrundeliegenden Nervenschäden abzielen, ist die Prävention wichtiger Bestandteil der Diabetesversorgung. Die IRT zeigt lokale Temperaturunterschiede, Hautverfärbungen und höhere Durchschnittstemperaturen bei diabetischen Füßen mit hohem Risiko für Neuropathie und Neuroischämie. So will man das Auftreten des diabetischen Fußes verhindern, erhebliche Kosten sparen und den Druck auf das Gesundheitssystem verringern. Für eine kürzere Markteinführungszeit, eine schnellere medizinische Validierung und zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten, haben wir uns für zwei weitere Anwendungen entschieden: die Diagnose von ACNES (chronischen Unterleibsschmerzen) und die Erkennung von Entzündungen bei Sportverletzungen. Der IR-Scanner weist drei innovative Merkmale auf: a. ist kompakt und erschwinglich und für die medizinische Grundversorgung geeignet; b. integriert KI/ML in eine medizinische Kamera; c. nutzt Hightech-Thermografie, die sehr genau und zuverlässig ist. Im Rahmen dieses Projekts arbeiten KMU und Forschungsinstitute an einer Produktinnovation im Gesundheitswesen, die zu einer starken, wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Wirtschaft in der Grenzregion beiträgt. Der Gesundheitssektor steht vor einer großen Herausforderung aufgrund des Drucks auf das Gesundheitswesen, der zum Teil durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung und Wohlstandskrankheiten verursacht wird.
Citylogistic 2.0
Die Anforderungen an Innenstädte werden vor dem Hintergrund des Klimaschutzes immer größer. Einen großen Einfluss auf die Reduzierung von Emissionen hat dabei die Logistik in Städten. Bereits heute machen Kurier-, Express- und Paketsendungen einen großen und zunehmenden Teil der Warenlieferung in Städten aus. Auch die Kundenansprüche in Richtung klimaneutrale Paketdienstleistungen nehmen zu. Um den daraus resultierenden steigenden Kosten, erhöhtem Verkehrsaufkommen sowie den Belastungen in Bezug auf Flächennutzung, Luft- und Lärmemissionen entgegenzuwirken, sind neue Logistikkonzepte gefragt, insb. im Rahmen der so genannten letzten Meile. Dezentralität, energetische Autarkie und zeitliche Flexibilität stellen dabei entscheidende Schlüssel zur Kosten- und Energieoptimierung dar.
Ziel des Projektes ist daher die Entwicklung eines innovativen, intelligenten und nachhaltigen Distributionssystems, bestehend aus einem energetisch autarken, mobilen Mini-Hub und einem hierfür konzipierten und neu entwickelten Elektrofahrzeug – LEFV (Light Electric Freight Vehicle), das auf Basis der durch den Mini-Hub bereitgestellten erneuerbaren Energien betrieben wird. Der Mini-Hub ist modular und aus nachhaltigen Baustoffen konzipiert und auch für temporäre Nutzungen geeignet.
Angestrebt werden hierfür zwei 9 – 12-monatige Betriebs- und Testphasen in den Partnerstädten Groningen und Oldenburg. Beide Städte sind gut miteinander vergleichbar und haben hohe Ambitionen zur Treibhausgasreduktion.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erfolgt zwischen Unternehmen, Clustern und Forschungseinrichtungen. Durch die Einbindung weiterer Stakeholder – insb. aus der Logistikbranche, aber auch mit Blick auf Kommunalverwaltung – wird gewährleistet, dass das Konzept auch auf andere Städte und Gemeinden übertragbar ist. Erste Interessensbekundungen liegen hierzu bereits vor.
SPOWAR
SPOWAR – das steht für „Sustainable Protection of Water Resources“. Ziel des Projektes ist die Entwicklung neuer Technologien, mit denen Prozess- und Abwasser von multiresistenten Erregern, Arzneimittelrückständen und weiteren kritischen organischen Verbindungen gereinigt werden können. Zusammen mit sieben innovativen Unternehmen und zwei Universitäten entlang der deutsch-niederländischen Grenze richtet sich der Lead Partner wfk – Cleaning Technology Institute e.V. aus Krefeld beispielsweise an medizinische Einrichtungen oder Betriebe aus der tierischen Lebensmittelproduktion: Mit neuen dezentralen Reinigungsverfahren soll das Einleiten kontaminierten Wassers in die Umwelt verhindert werden. So trägt das Projekt zur Verbesserung der Gesundheit von Mensch und Tier bei.
Trichterbecherkultuur in NL-D
Die prähistorische Gesellschaft, die Trichterbecherkultur, prägte das Leben der Bewohner in der heutigen deutsch-niederländischen Grenzregion zwischen 4000 und 2700 vor Christus. Nationale Grenzen, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht, so dass sich vieles vom kulturellen Erbgut aus dieser Zeit überschneidet, wie z. B. Hunebedden und die Funde von klassischer Keramik in Form von Trichterbechern. Um die archäologischen Fundstellen aus dieser Epoche grenzüberschreitend zu erfassen, gehen die Provinzen Overijssel und Gelderland, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und die Universität Groningen (RUG) eine Kooperation in Form eines Interreg-Projekts miteinander ein. Daran sind auch mehrere assoziierte Partner, unter anderem aus Niedersachsen, beteiligt. Im Rahmen des Projekts soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenstransfer, Information der Öffentlichkeit und Erhaltung des kulturellen Erbes aus der Trichterbecherkultur gestärkt werden, aber die Projektpartner wollen die Bürger auch zu einem Teil des gemeinsamen Erbes machen. Die Bürger werden ermutigt, sich an öffentlichen Aktivitäten wie Ausgrabungen zu beteiligen. Geplant sind auch die Entwicklung eines Buches und eine Wanderausstellung. Die Ausstellung wird in verschiedenen Museen und Bibliotheken errichtet und vorübergehend für Besucher zugänglich sein.
Dank des Projekts, das im Herbst 2026 endet, werden die grenzüberschreitende Denkmalpflege und die Kulturpolitik aufeinander abgestimmt. Außerdem ermöglicht es die gemeinsame Erforschung einer Kultur, die in den Niederlanden und in Deutschland dominiert hat.
Interreg-Finanzierung
Die Interreg-Mittel stammen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Mit der Genehmigung der oben genannten Projekte fließt ein Gesamtbetrag in Höhe von 23.937.058,66 € in die deutsch-niederländische Zusammenarbeit. Dieser Gesamtbetrag enthält Förderung aus dem Fonds, die Kofinanzierung der Interreg-Partner sowie einen Eigenbeitrag der Projektpartner.