Kreislaufwirtschaft

14.11.2023

Wussten Sie, dass man sich in verschiedenen Interreg VI-Projekten auch mit dem Thema „Möglichkeiten für eine grenzüberschreitende Kreislaufwirtschaft” beschäftigt?  

Das Regionale Programmmanagement Interreg aus Gronau hat sich mit Thomas Melchert von der Handwerkskammer Münster (Projektleiter von Two4C) und Martin Gründkemeyer von Netzwerkoberfläche NRW e.V. (Projektleiter von X-Lives) getroffen, um mehr über das Thema Kreislaufwirtschaft zu erfahren. Die Interreg VI -Projekte sind kurz nacheinander mit der Durchführung begonnen und beschäftigen sich mit ähnlichen Themen. Mit diesem Interview möchten wir zeigen, dass es durchaus auch Synergien zwischen Projekten geben kann und Interreg-Projekte untereinander nicht konkurrieren sondern sich ergänzen können. Two4C und X-Lives sind dafür sehr schöne Praxisbeispiele.  

Was ist in wenigen Sätzen das zentrale Thema des Projekts, das Sie durchführen (jeweils für Two4C und X-Lives)? 

Herr Melchert erklärt, dass es bei dem Projekt Two4C darum geht, eine möglichst große Zahl von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) aus fünf verschiedenen Branchen auf „die Schienen zu setzen“, um den Transformationsprozess hin zu mehr „Circular Economy“ zu starten. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt für diesen Start, da man festgestellt hat, dass viele Betriebe hier noch gar nicht richtig auf dem Weg sind. Herr Gründkemeyer vom Projekt „X-Lives“ bestätigt, dass das in seinem Netzwerk auch aufgefallen ist, wobei die großen Unternehmen sich schon länger mit dem Thema Kreislaufwirtschaft auseinandersetzen. Das Thema ist bei den KMU zwar schon angekommen und sie wissen, dass man da was machen müsste, aber die Prioritäten liegen da momentan noch woanders. 

Herr Melchert erwähnt, dass aus einer im Vorfeld bereits durchgeführten Machbarkeitsstudie deutlich hervorgegangen ist, dass sich die KMU in diesem Bereich auch Unterstützung wünschen. Das Projekt Two4C besteht aus mehreren Arbeitspaketen, angefangen von einem Quickscan bei den Betrieben, um dort die sogenannte „Circular Readiness“ zu ermitteln über die Bildung von grenzüberschreitenden Tandems, „Circu-Trainings“ bis hin zum offenen Projektteil. In diesem kann man als KMU für eine tolle innovative Idee finanzielle Unterstützung erhalten. 

Herr Gründkemeyer ergänzt, dass viele KMU zuerst den ökonomischen Aspekt sehen und denken: „Was kostet mich das?“. Das wird oft als Anschubhürde, sich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen, gesehen. Die Teilprojekte im offenen Projektteil sollen dazu beitragen, die KMU zu motivieren, sich mehr mit dem Thema auseinanderzusetzen und Prozesse intern anschieben zu wollen. 

Warum ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für beide Projekte wichtig? 

Herr Gründkemeyer erklärt, dass man ja schon einen gemeinschaftlichen Wirtschaftsraum hat, aber es gibt doch weitestgehend unterschiedliche Mentalitäten und Gesetzgebungen. Es findet immer mehr grenzüberschreitend statt, z.B. finden viele Produktlieferungen aber auch eine Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen bereits grenzüberschreitend statt. Allerdings hat er das Gefühl, dass der Zirkel gerade bei dem Thema Abfallverwertung an der Grenze unterbrochen wird. Als Beispiel nennt er das Pfandsystem: in den Niederlanden ist das Pfandsystem für kleine Getränkeflaschen und -dosen eingeführt worden. In Deutschland existiert das System allerdings schon sehr lange.  

Herr Melchert fügt ergänzend hinzu, dass er anhand von vorangegangenen Interreg-Projekten mitbekommen hat, dass man sich in den Niederlanden bereits intensiver mit Thema „Circular Economy“ befasst hat und man dann natürlich von dem gegenseitigen Wissen profitieren könnte. Herr Gründkemeyer erwähnt noch, dass das in der Rohstoffbranche schon größtenteils funktioniert, warum sollte das dann nicht auch in der Abfallverwertung klappen? 

Was ist die größte Herausforderung für Ihre Projekte im Bereich der Kreislaufwirtschaft? 

Herr Gründkemeyer erklärt, dass die größte Herausforderung sein wird, die Türen zur Akzeptanz zu öffnen. Herr Melchert gibt an, dass man mit dem Projekt Two4C den KMU Chancen vermitteln möchte. Aus Diskussionen mit den KMU geht oft hervor, dass sie sich als schwächstes Glied in der Kette sehen und sich nicht in der Lage fühlen als KMU so eine Position in der Lieferkette einzunehmen und zu sagen, sie geben jetzt mal die Richtung vor. Herr Melchert sagt: „Das Brett ist aber dicker als wir das im Vorfeld erahnt haben. Es wird wirklich schwer, eine so große Zahl von KMU zu erreichen‘‘. Herr Gründkemeyer fragt Herrn Melchert, ob er in etwa sagen kann, wie viele Mitarbeiter so ein Handwerksbetrieb hat. Herr Melchert antwortet, dass es sich z.B. bei Metallbaufirmen nicht um unbedingt kleine Betriebe handelt. Dort gibt es ca. 25-80 Beschäftigte. In jedem Betrieb muss es eine Person geben, die das Ganze dann auch anpackt. Bei größeren Handwerksbetrieben gibt es oft solche Personen, je kleiner die Betriebe werden, bleibt das meisten an der Unternehmerin oder Unternehmer hängen und da wird es, auch aufgrund vom normalen Tagesgeschäft, noch schwieriger.  

Herr Gründkemeyer fügt noch hinzu, dass man gerade bei den KMU Aufklärungsarbeit schaffen muss, z.B. durch die Aufzeigen von generellen Mechanismen oder der Einführung von Automatismen aufgrund von Rahmenbedingungen, so wie es im Projekt X-Lives anhand von u.a. „Proof of consence“ gezeigt werden soll. In Two4C geht es mehr um das Thema Aufklärung und in X-Lives um die Praxis. Deswegen ergänzen sich die beiden Projekte auch sehr gut. Wenn man z.B. jemanden hat, der das Bewusstsein dafür hat, einen neuen Weg gehen möchte und das anhand von der Entwicklung eines Prototyps in der Praxis ausprobieren möchte. Hier sieht er Synergien, wo man dann in X-Lives am Material oder Produkt selber Versuche machen kann. Das wird mit X-Lives anvisiert. 

Sie selbst weisen darauf hin, dass sich die beiden Projekte gegenseitig ergänzen. Man spricht hier also nicht von Konkurrenz? 

Herr Gründkemeyer sagt, dass Konkurrenz zwischen den Projekten kein Thema ist. Eher das Gegenteil ist der Fall. Man hat ja schon bei der Antragstellung eng zusammengearbeitet. Die beiden Projekte ergänzen sich prima aufgrund der Bewusstseinskette und dem Entwicklungsstatus der jeweiligen Partner. Eine Person des einen sitzt sogar im Beirat des jeweils anderen Projekts, um zu erfahren, was an der „anderen Seite“ so passiert. So findet immer ein Austausch statt. Herr Melchert erwähnt noch, dass teilweise bestimmte Institutionen sogar in beiden Beiräten sitzen, da diese viel Wissen für beide Projekte mitbringen. Das RPM ergänzt, dass ein Projektbeirat zwar vom Interreg-Programm vorgeschrieben wird, aber die Zusammensetzung des Beirats aus Experten von den Projektpartnern eigenverantwortlich stattfindet. Es ist wichtig, dass die Mitglieder Kenntnisse mitbringen, aber auch, dass sie über ein großes Netzwerk von Unternehmen verfügen, die man erreichen kann. 

Worin unterscheiden sich die beiden Projekte? 

Herr Gründkemeyer erläutert, dass man in X-Lives erst nach z.B. den Quickscans in Two4C mit einer Idee zu ihm kommt, die man technisch umsetzen will. In Two4C geht es also hauptsächlich um die Aufklärung und in X-Lives um die Umsetzung. Das technische Entwicklungsniveau ist bei X-Lives häufiger ein wenig höher. Herr Melchert ergänzt aber, dass es in Two4C sicher auch möglich wäre, dass man am Ende der jeweiligen Bausteine schöne innovative Geschäftsideen oder Produktideen hat, die man über den Beirat zur Genehmigung im Lenkungsausschuss vorlegen kann; also das, was man in X-Lives von Anfang an macht. „Es funktioniert dann eher wie ein Trichter, bei dem wir zu Beginn zahlreiche Unternehmen hinsichtlich der Verfahren für eine kreislauforientiertere Arbeitsweise beraten und letztendlich mit einigen von ihnen tatsächlich den Schritt zur Umsetzung dieser Verfahren in die Praxis machen‘‘, sagt er. 

Two4C und X-Lives haben beide einen offenen Bereich, d. h. Unternehmer können sich auch während der Projektlaufzeit noch für die Teilnahme an dem Projekt bewerben. Wie begeistern Sie die Unternehmer dafür, Teil der Projekte sein zu wollen? 

Die Projektpartner werden lt. Herrn Melchert in unterschiedlichen Netzwerken, aber auch durch Aushändigung von Broschüren oder auch durch direkt Ansprache gefunden. Außerdem wurden schon 5 oder 6 Vorträge gehalten, wo man auch über Two4C informiert wird. Herr Gründkemeyer sagt, dass in X-Lives schon diverse Themenworkshops beiderseits der Grenzen durchgeführt wurden und auch noch werden. Ziel dabei ist jeweils die Zusammenführung von deutschen und niederländischen Partnern und sie zum Austausch zu motivieren und im besten Fall die gemeinsame Planung und Durchführung eines Projekts. 

Gehören Sie zur Zielgruppe des jeweils anderen? Das heißt: Nehmen Projektpartner von X-Lives an Treffen von Two4C teil und umgekehrt? 

Herr Melchert antwortet, dass regelmäßig interne Treffen stattfinden. Wenn themenspezifische Veranstaltungen oder Beiratssitzungen stattfinden, lädt man sich selbstverständlich gegenseitig ein. Herr Gründkemeyer findet es in dem Konsens sehr wichtig, dass man miteinander redet. Er findet, dass das „Netzwerken“ in digitaler Form nicht so geeignet ist und findet es besser, wenn man sich persönlich trifft. Bei den persönlichen Treffen kann man sich besser austauschen und über mögliche neue Ideen mit bestimmten Personen sprechen. Er sagt auch, dass in Two4C eher die Handwerks-unternehmen angesprochen werden und in X-Lives die Industrieunternehmen. Herr Melchert antwortet darauf, dass es für Two4C aber nicht unbedingt entscheidend ist, ob ein KMU bei der IHK oder HWK registriert ist. Jeder Betrieb, der die Kriterien eines KMU erfüllt, kann mitmachen. 

X-Lives endet im Frühjahr 2026 und Two4C im Frühjahr 2027. Was wollen Sie bis zum Ende der Projektlaufzeit erreicht haben? 

Herr Melchert sagt, dass man für Two4C auf jeden Fall die Zielindikatoren erreichen will. Natürlich möchte man gerne was Bleibendes haben nach Projektende. Er redet in Vorträgen so oft über den Transformationsprozess hin zur zirkulären Wirtschaft. Dann spricht man aber von 10, wenn nicht sogar mehr Jahre. Wenn das Projekt im Frühjahr 2027 beendet wird, ist der Prozess ja noch nicht beendet. Schön ist auch, dass man durch ein solches Projekt ein neues Team zusammenstellen kann und dass sich dieses Team dann vielleicht sogar nach Projektende noch weiter mit solchen Themen an KMU herangehen zu lassen. 

Für Herrn Gründkemeyer ist es klar, dass sie im Projekt X-Lives erprobte Beispiele aus der Praxis haben möchten, Lösungsansätze für die Verwertung insbesondere von Kunststoffe oder Verbundmaterial, die es bisher noch nicht gab. X-Lives hat neben einem offenen auch einen Kernentwicklungsbereich. Da haben sie 4-5 Technologien, die hohes Potenzial haben, neue Recycling- oder Upcyclingprozesse zu etablieren in der Wirtschaft, wie man nicht reparable Stoffe verwertet, also nicht nur verbrennt oder deponiert. Es sollen Möglichkeiten geschaffen werden, wie man neben den klassischen Verwertungen ernsthafte Recyling-Ansätze hat. Das heißt, man fährt ein Material nicht immer im Kreis, wie bei Plastikflaschen, sondern verwendet diesen Wertstoff in anderen Prozessen. Man baut sozusagen eine Brücke zu anderen Wertstoffen. Da möchte man mit dem Projekt Beispiele aus der Praxis aufzeigen, wie so etwas gehen kann, z.B. durch Umformung von Material einen neuen Wertstoff aus einer anderen Kette wieder nutzen zu können. 

Herr Melchert fügt hinzu, dass das für KMU auch ein Lösungsansatz sein kann, diese Innovationen aufzugreifen und gewisse Kundenzielgruppen ansprechen. Die Projekte, die in Two4C entstehen werden, sollen eine Leuchtturmfunktion haben. Dass man andere ermuntert „guck mal, das sind Beispiele, denk doch mal drüber nach“. Man wird sicher über 100 Betriebe haben, die den Transformationsprozess schon mit vielen Schritte durchlaufen haben und damit zeigen, dass das alles kein „Hexenwerk“ ist. Die Nachhaltigkeit des Projektes wird am Ende des Projektes deutlich, wenn man Lösungsansätze aufzeigen kann und vielleicht sogar schon Beispiele hat. 

Herr Gründkemeyer erklärt noch, dass die Förderung auch eine Risikosenkung bedeutet, da das wirtschaftliche oder technische Risiko für die KMU so hoch ist, dass es nicht abzuwägen ist, ob der Weg, den man beschreitet nicht in eine Sackgasse führt. Mit der Durchführung des „Proof of concept“, z.B. der Entwicklung einer neuen Technologie, die noch nicht auf dem Markt erprobt ist, zeigt man den Betrieben, dass es funktioniert. Das Risiko wird dadurch durchaus geringer. Man hat dann eine Art Gerüst, welches man verwenden kann, z.B. wie hoch können die Kosten werden, welche Materialen benötigt man.  

Für beide Projekte stellt die Europäische Union eine Förderung aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung. Des Weiteren werden sie vom Niedersächsischen Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten, dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klima und Energie NRW auf deutscher Seite und vom Ministerium für Wirtschaft und Klima auf niederländische Seite finanziert.  

Das Projekt „Two4C“ wird zusätzlich noch von den Provinzen Overijssel, Gelderland, Drenthe, Flevoland, Fryslan, Groningen finanziell unterstützt. 

Das Projekt „X-Lives“ bekommt zusätzliche finanzielle Unterstützung von den Provinzen Overijssel, Gelderland, Drenthe, Fryslan, Groningen, Limburg und Noord-Brabant. 

Wenn Sie über diese Projekte auf dem Laufenden bleiben möchten, behalten Sie diese Website im Auge. Hier finden Sie regelmäßige Updates zu den Projekten. Darüber hinaus verfügen die Projekte über ihre eigenen Websites (Two4C und X-Lives). 

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