Karriere im Nachbarland

24.02.2021

Das Interreg-Projekt „Cross Border Talent“ wurde 2016 ins Leben gerufen, um international ambitionierte Unternehmen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet zu unterstützen, indem man Studierende aus dem Nachbarland mit ihnen zusammenbringt, damit diese dort ihre Bachelor- oder Masterarbeit schreiben. Diese internationalen Talente helfen Unternehmen beim Markteintritt im Nachbarland und fördern die internationale Zusammenarbeit.

Das Projekt hält somit die Studierenden auch nach ihrem Abschluss in der Grenzregion. Die Studierenden erhalten nämlich die Chance, nach der Bachelor- oder Masterarbeit als Trainee eine weitere Karriere in dem Unternehmen aufzubauen, wo sie die Abschlussarbeit geschrieben haben. Dadurch wurden insgesamt 34 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das Projekt befindet sich inzwischen in der Endphase, aber die Projektpartner blicken jetzt schon positiv auf die 60 Matches zurück, die sich aus dem Projekt ergeben haben. Die Projektpartner Sascha Leuftink von Saxion, Sarah Schönfelder von der Fachhochschule Münster und Juliane Wessling von der Hochschule Osnabrück erzählen Ihnen gerne, wie sie die vergangenen Jahre im Projekt erlebt haben.

Sascha Leuftink – Saxion Hogeschool
Sarah Schönfelder – Fachhochschule Münster & Juliane Wessling – Hochschule Osnabrück

Das Interreg-Projekt kam unter anderem zustande, weil die Arbeitgeber großen Bedarf an Fachkräften aus dem Nachbarland zeigten. Warum sind diese Fachkräfte so begehrt?
Vor allem wegen des Bedürfnisses, im Nachbarland aktiv zu werden. Wenn Sie aus kommerzieller Sicht einen neuen Markt erschließen wollen, ist die beste Methode, dafür einen Muttersprachler einzusetzen, der das Land, die Sprache und die Kultur kennt und versteht. Gerade die Niederlande und Deutschland liegen so nah beieinander, dass man ohne weiteres sagen kann, dass ein Mitarbeiter ein paar Tage in der Woche im Büro des Unternehmens verbringt und so nah am Arbeitgeber zu sein, während er auf der anderen Seite ein paar Tage damit verbringt, den Markt zu erkunden und Kunden im Nachbarland zu besuchen. Es ist von großem Vorteil, wenn man das kombinieren kann.

Sie bringen Studierende mit einem deutschen oder niederländischen Arbeitgeber zusammen. Ist es normalerweise schwierig für Studierende und Unternehmen, ohne einen Vermittler einen passenden Match zu finden?
Ja, das ist es sicherlich. Wir waren uns dessen vorher nicht wirklich bewusst, weil wir schon seit einigen Jahren in der deutsch-niederländischen Geschäftswelt aktiv waren. Trotzdem stellen wir um uns herum fest, dass für viele Menschen die Grenze immer noch da ist. Dann fällt es schwer, den ersten Schritt zu tun, z.B. irgendwo eine deutsche Stelle auszuschreiben oder sich auf eine Stelle zu bewerben und man stellt doch fest, dass Unternehmen und Studenten einen Vermittler brauchen, der ihnen den Weg frei macht.

Man sieht, dass sich heutzutage viele Studierende während ihres Studiums für einen Auslandsaufenthalt entscheiden, aber oft weit weg von hier, z.B. Spanien, Australien oder Amerika. Warum denken Sie, ist es eine Überlegung wert, sich für ein Auslandsemester im Nachbarland zu entscheiden?
Das liegt vor allem an der Nähe zum Ausland beiderseits der Grenze (Internationalisierung vor der Haustür). Außerdem bleiben die Studierenden in ihrem gewohnten sozialen Umfeld. Das liegt auch daran, dass das Projekt im Grenzgebiet aktiv ist; man geht nicht nach München, Berlin oder Amsterdam. Sie bleiben in der Nähe ihres Wohnortes, so können sie immer noch in ihrem eigenen Land wohnen bleiben, wenn sie das möchten. Gleichzeitig erleben sie aber auch ein Auslandsabenteuer.

Wie haben Sie versucht, Studierende davon zu überzeugen, ihre Bachelor- oder Masterarbeit im Grenzgebiet durchführen zu wollen?
Wir haben das auf verschiedene Art und Weisen versucht. Wir sind an allen drei Hochschulen in den unterschiedlichen Fachbereichen in die Vorlesungen gegangen und haben dort das Projekt vorgestellt. Nach dem wir im Projekt ein bisschen weiter vorangeschritten waren, haben wir intensiv Storytelling betrieben: Studierende, die schon an unserem Programm beteiligt waren, haben bei Vorlesungsbesuchen über ihre persönlichen Erfahrungen berichtet. Das hat vor allem auch gut geklappt, weil sie aus der gleichen Zielgruppe kamen und die Studierenden auf der gleichen Ebene angesprochen haben. Dazu haben wir kleine Erklär-Filmchen gedreht, die wir im Internet veröffentlich haben. Und natürlich sind wir auf vielen Veranstaltungen gewesen, wo sich die Studierenden treffen; zum Beispiel gab es an der FH Münster einen Stand auf einer Karrieremesse. Wir haben auch versucht die Professoren als Multiplikatoren zu benutzen, da sich Studierende oftmals an dem orientieren, was ihnen in der Vorlesung angeraten wird. Wenn Unternehmen und Projekte aus der Region Aufmerksamkeit bekommen, haben die Studierenden meist ein offenes Ohr und hören zu. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Wir wollten das Projekt vor allem relativ locker und hip darstellen und die Vorteile hervorheben. Ein Studienabschluss beim CBT bedeutet zum Beispiel, dass man an einem Auftrag arbeiten kann, der für das Unternehmen von strategischem Wert ist, und wir haben das Traineeship als „ersten Job“ angelegt, wobei die Umsetzung von dem, was die Studierenden selbst untersucht haben, sie sehr angesprochen hat.

Mussten Sie auch schon Studierende und/oder Unternehmen enttäuschen, weil es keinen passenden Match zu geben schien?
Auf jeden Fall und ziemlich oft sogar. Es haben sich rund 130 Studierende und 125 Unternehmen für das Projekt angemeldet, aber nicht immer konnte ein idealer Partner gefunden werden. Teilgenommen haben Studierende aus verschiedenen Studienrichtungen und Unternehmen aus sämtlichen Branchen. Somit hatten wir einen großen Pool, aber je unterschiedlicher die Unternehmen und Studierenden waren, desto schwieriger war es, ein Match zu finden. Manchmal war es wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Der erste Ausgangspunkt war auch, dass der Bedarf des Unternehmens im Vordergrund stand und wir davon ausgehend nach einem Match gesucht haben. Es gab nicht immer einen perfekten Match, aber der Pool war immer sehr groß, so dass wir auch auf die Wünsche der Studierenden eingehen konnten. Durch die Berücksichtigung dieser Wünsche waren wir in der Lage, mehr gute Matches zu erzielen.

Können Sie uns etwas darüber erzählen, wie die Studierenden die Abschlussarbeiten erlebt haben, zum Beispiel im Hinblick auf kulturelle Unterschiede?
Das verlief eigentlich alles erstaunlich reibungslos. Es waren eher die Persönlichkeiten als Kulturen, die aufeinander trafen, obwohl man natürlich nicht immer genau sagen kann, inwieweit die Kultur die Persönlichkeit bestimmt hat. Auch die Aufgabenstellungen boten den Studierenden viele Herausforderungen.

Wichtig war, dass wir nur die Studierenden vermittelt haben, die auch wirklich Lust hatten, sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Das Programm ist da für die Leute, die hier im deutsch-niederländischen Grenzgebiet verwurzelt sind, und auch bleiben wollen, aber sich doch gerne international orientieren möchten. Wir haben sehr genau geschaut, an Unternehmens- und Studierendenseite, dass wir bestmöglich selektieren und auf Basis von Bedarfen und Wünschen cross border matchen. Deswegen waren die meisten Studierenden auch sehr zufrieden mit ihrer Abschlussarbeit und dem anschließenden Traineeship.

Wie hat Ihnen als Projektpartner die deutsch-niederländische Zusammenarbeit untereinander gefallen?
Sehr gut. Natürlich kann man einen Unterschied in der Pro-Aktivität und Eigeninitiative erkennen, aber kulturelle Unterschiede haben dabei keine klar erkennbare Rolle gespielt. Manchmal schien der Unterschied zwischen zwei vergleichbaren deutschen Partnern größer als zwischen einem niederländischen und einem deutschen Partner. Daran erkennt man, dass es selbst innerhalb eines Landes große Unterschiede gibt, wie eine Unternehmenskultur aussieht. Das macht sich beispielsweise bemerkbar, wenn es um Hierarchieunterschiede oder Flexibilität geht. Der Stereotyp, der zu einem Land gehört, entspricht nicht immer dem Unternehmen, das in diesem Land ansässig ist. Außerdem haben wir festgestellt, dass das Band zwischen unseren Fachhochschulen durch diese Zusammenarbeit gestärkt wurde. Wir wissen jetzt, wie wir einander für grenzüberschreitende Initiativen viel leichter finden können, und das ist definitiv eine gute Entwicklung.

Werden die Saxion, die Hochschule Osnabrück und die Fachhochschule Münster nach dem Ende des Projekts weiterhin Abschlusspraktika im Nachbarland anbieten und/oder organisieren? Und gibt es dafür schon konkrete Pläne?
Ja natürlich, es gibt Pläne für ein gemeinsames Interreg VI-Projekt. Aus den Erfahrungen des CBT-Projekts haben wir bereits erste Ideen entwickelt. Wir werden nun schauen, wie wir diese Ideen zum Thema eines grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes weiterentwickeln können und mit welchen Projektpartnern wir zusammenarbeiten werden.

Das Interreg-Projekt „Cross Border Talent” wird im Rahmen des INTERREG V – Programms Deutschland-Nederland durchgeführt und von der Europäischen Union finanziell unterstützt sowie auf niederländischer Seite von dem Ministerie van Economische Zaken en Klimaat und der Provincie Overijssel und auf deutscher Seite vom Niedersächsischen Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie dem Wirtschaftsministerium des Landes NRW.

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