Das grenzüberschreitende deutsch-niederländische Interreg-Projekt “MEDUWA (MEDizin Unerwünscht im WAsser) Vecht(e)” im Rahmen des Interreg-Programms Deutschland-Nederland läuft diesen Monat aus. Die Projektpartner agierten im gemeinsamen Flusseinzugsgebiet der Vechte und ihrer Nebenflüsse, um ein gemeinsames Problem anzugehen: Die von Mensch und Tier ausgeschiedenen Medikamente und multiresistenten Bakterien gelangen über Abwasser und Gülle in die Umwelt und können über Boden, (Trink-)Wasser und Nahrung wieder zu Mensch und Tier zurückkehren.
„Wasserverschmutzung ist ein großes Problem. Das war schon immer so, aber erst jetzt wird es wirklich sichtbar. Dank guter Analysetechniken wissen wir heute, dass Medikamente überall auf der Welt in der Umwelt zu finden sind“, erklärt Projektpartner Alfons Uijtewaal von der Stichting Huize Aarde. Raissa Ulbrich von der Universität Osnabrück, ebenfalls Projektpartner, erklärt zudem, dass die primäre Aufgabe von Medikamenten darin besteht, Patienten gesund zu machen. Die Auswirkungen von Medikamenten auf die Umwelt wurden erst später entdeckt. Es scheint, dass nach dem Zweiten Weltkrieg viele Medikamente entwickelt wurden, die nicht so leicht abbaubar sind. Außerdem hat die Verwendung von Medikamenten sowohl bei Menschen als auch bei Tieren zugenommen. Alfons Uijtewaal erklärt, dass dies bedeutet, dass immer mehr Bakterien, Pilze und Parasiten gegen diese Medikamente resistent werden, was zur Folge hat, dass Menschen in Zukunft sterben werden, weil z.B. Antibiotika oder Antimykotika (Medikamente zur Behandlung von Pilzinfektionen) nicht mehr wirken. Laut Uijtewaal könnte dies in 30 Jahren sogar die Todesursache Nummer eins beim Menschen werden.
„Um das Problem der Wasserverschmutzung durch Medikamente anzugehen, arbeiteten verschiedene Organisationen aus der Pharmaziebranche zusammen. An fast jeder Innovation waren eine Wissenseinrichtung und ein Unternehmen, das ein Produkt entwickeln wollte, beteiligt, so dass sich Wissenschaft und Praxis gegenseitig ergänzten“, sagt Raissa Ulbrich von der Universität Osnabrück. Ziel der Organisationen war es, ein Lösungspaket zur Vorbeugung, Reduzierung, Messung, Überwachung, Simulation, Visualisierung und Kommunikation zum Thema Arzneimittel und multiresistente Mikroorganismen im Wasser zu entwickeln. Insgesamt wurden 12 Innovationen entwickelt. Als Beispiel nennt Alfons Uijtewaal die Entwicklung eines biologischen Medikaments auf Basis eines leicht abbaubaren Enzyms, das als Ersatz für entzündungshemmende Medikamente und eine langwierige Behandlung mit Antibiotika vorbeugen kann. Außerdem wurde für die Viehzucht nach Möglichkeiten gesucht, Schweine und Kühe individuell zu behandeln, anstatt Gruppenmedikation einzusetzen.
Der Grund, weshalb das Thema Wasserverschmutzung grenzüberschreitend in Angriff genommen werden sollte, liegt klar auf der Hand. „Wir haben es mit einem gemeinsamen Problem zu tun, denn es fließt Wasser mit Medikamenten und resistenten Bakterien aus Deutschland in die Niederlande und andersherum. Anschließend wird das Wasser gereinigt und wird wieder getrunken. Allerdings können in beiden Ländern noch nicht alle Bakterien und Medikamente einwandfrei aus dem Wasser gefiltert werden“, betont Uijtewaal, „das Problem ist also sehr ernst“.
Die Projektpartner sind mit den vielfältigen Ergebnissen zufrieden und blicken ebenfalls positiv auf die deutsch-niederländische Zusammenarbeit zurück. „Es war interessant zu sehen, wie auf der anderen Seite der Grenze mit Herausforderungen umgegangen wird. Dies hat uns eine Menge an Erkenntnissen gebracht. Wir konnten aus verschiedenen Perspektiven nach Lösungen suchen. Wir haben auch gesehen, dass nicht alle Maßnahmen überall zu den gleichen Effekten führen würden. Zum Beispiel ist der Verbrauch bestimmter Medikamente auf beiden Seiten der Grenze unterschiedlich“, sagt Raissa Ulbrich. Caroline van Bers vom Projektpartner The Integrated Asessment Society sagt auch, dass sie allen Organisationen im Projekt dankbar sei, die so hart an den Innovationen gearbeitet und so viel Energie in das Projekt gesteckt haben. Mit dem Projekt konnten die Partner auch einen Beitrag zu den UN- und europäischen Zielen für sauberes Wasser und Boden leisten.
Mit dem Thema Mikroverunreinigungen im Wasser haben die Projektpartner noch nicht abgeschlossen. „Aufgrund des Klimawandels wird es in Zukunft mehr Dürren aber auch Überschwemmungen geben. Insbesondere durch niederschlagsarme Perioden können Flüsse austrocknen. Das geschieht nicht, weil Kläranlagen dafür sorgen, dass unvollständig gereinigte Abwässer einfließen. Je mehr Trockenperioden, desto mehr dieser Abwässer gelangen in die Flüsse und erhöhen die Konzentration von Medikamenten und Krankheitskeimen. „Wir müssen weltweit zusammenarbeiten, um Methoden zu entwickeln, die die Konzentration von Medikamenten in unseren Gewässern reduzieren“, sagt Alfons Uijtewaal. Ein neues Projekt ist sogar schon in Planung. Mit Studenten der Universitäten in Groningen und Osnabrück wird die Stichting Huize Aarde in diesem Jahr untersuchen, worin die Prioritäten und Bedürfnisse für Innovationen bei den regionalen Regierungen in Bezug auf das Thema Wasser- und Bodenverschmutzung, Biodiversität und Klima liegen. „Mit diesen Ergebnissen können wir mit der Arbeit an einem Vorhaben für die neue Förderperiode Interreg VI beginnen“.
Das INTERREG VA – Projekt „MEDUWA-Vecht(e)” wurde durch die Europäische Union finanziell unterstützt sowie auf deutscher Seite durch das Niedersächsische Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und das Wirtschaftsministerium des Landes NRW und auf niederländischer Seite vom Ministerie van Economische Zaken en Klimaat und den Provinzen Overijssel, Gelderland, Flevoland en Friesland.